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Von denen oben, die vergessen haben, dass sie oben sind, weil unter ihnen welche existieren.

  • DDR. Martin Hönlinger
  • 3. Okt. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Nach über 25 Jahren als Zahnarzt und gut 12 Jahren Kassenzahnarzt gilt es, einmal Bilanz zu ziehen. Was hieß es damals: Lass Dich nicht nieder ohne Kasse! Das ist deine Grundversicherung, alle deine Grundkosten sind damit gedeckt und du bekommst damit auch Privatpatienten! Ein gut gemeinter Rat, wie man denkt. Sollte auch heute noch Gültigkeit haben. Nun rechnet man ja nicht dauernd nach, was die Krankenkassen einem überweisen und ob das so passt. Aber irgendwann wird mir auch bewusst geworden, mir das genauer anzusehen. Gerade wenn man parallel zur Quartalsabrechnung der Kasse seine Mitarbeiterbeiträge an besagte Kasse rücküberweist. Und siehe da: es ist fast so viel, wie man bekommt! Hoppala, das kann doch nicht sein, oder?? Es bleiben gerade einmal so viele Scheine über, wie der Lehrling Gehalt hat?? Miete, Material, Gehälter, Strom und ja ICH, ich ja auch noch? Wo bleibt da was?? Ich schau genauer: mach ich so wenig auf Kasse? Fast 20.000 Positionen in einem Jahr, naja, klingt nicht nach komplett wenig, dazu lt. Statistik 2000% über dem Durchschnitt mit “Retinierten Zähnen”, also echt das, wo man noch am meisten bekommt. Und dennoch?? Rückfrage bei der Krankenkasse: “wir können nichts für die Tarife, das machen ihre Kammerleitungen mit der Kasse aus und wenn die das OK geben, dann ist das leider so”…..Aha, ja, klingt plausibel. Zeitsprung ins Jahr 2022: “Die da oben” machen einen Kollektivvertrag für uns aus, ohne dass die Zwischengremien informiert werden. Ich höre: das erste Mal seit es KVs gibt, wurden diese nicht ratifiziert und auch vom Arbeitsminister nicht gegengezeichnet, da formal zumindest unklar… Stillstand bei den Tarifen, Unruhe in den Ordinationen bei den Mitarbeitern: alles redet von Coronaprämien, die jeder Betrieb abgabenfrei an seine Mitarbeiter ausschütten darf (naja selbst zahlen muss er sie schon, aber die Politik vermittelt das in den Medien auch so, als wäre alles eh ein Geschenk und gerade die Krankenhäuser würden Prämien ausschütten und wer das nicht tut, der ist ein Unmensch…) Äh, wo hat da die Krankenkasse an uns eine Prämie ausgeschüttet? In Zeiten davor, wo eine FFP Maske bis zu 21 Euro gekostet hat und wir Unmengen davon ohne Kostenersatz verbraucht hatten? Empfehlung war ja, eine Pauschale von den Patienten zu verlangen. Aber immer beim schwächsten Glied sich bedienen? Wir haben es nicht gemacht. Und wir haben nicht zugesperrt und unsere Patienten allein gelassen und dann eine Staatsprämie für den Ausfall eingenommen und uns derweil die Sonne auf die Nasen scheinen lassen! Ja, also dann hat man natürlich auf die Teuerung auch reagiert und seine Mitarbeiter Anfang 2022 großzügig erhöht. Sie sind auch wirklich spitze und machen das beste Team aus, das man sich wünschen kann! Und dann?? ja da ist dann das Gerede, dass ein neuer KV gemacht wird (naja, betrifft einen ja nicht, weil mit KV- Verdienst kommt in unserer Branche keiner mehr zu Personal!). Dann ist er laut Steuerberater offiziell abrufbar und dann kommts: IST- Lohnerhöhung unabhängig, ob man schon erhöht hat und gleich einmal 5% weniger Arbeitszeit und höhere Gefahrenzulage UND noch gleich rückwirkend für einige Monate! WOW. Das hat sich ausgezahlt für die Mitarbeiter. Aber wir bekommen sicher auch mehr, weil wir müssen das ja aus dem gleichen Kuchen bezahlen. Oder? Äh nein, wir sind ja die Bösen, die den Kleinen immer alles neiden. Wir brauchen keine Erhöhung, und wenn, dann nur ein bissl. Die Logik ist schon richtig: es ist schon vorher viel zu wenig gewesen und darum ist es eh egal, ob es nachher noch mehr zu wenig ist. Verhungert ist verhungert!

Wo war da unsere Führungsriege in Wien? Verhandlung am Biertisch? Nach dem neuen Logo im Sinne einer paramilitärischen Kampftruppe (hab das auch nach Wien geschrieben, aber man bekommt ja als kleiner dummer Zahler wenigstens keine blöde Antwort, sondern gar keine!) hätte ich mir mehr Streitfähigkeit erwartet, aber der lahme Tiger hat sich nicht einmal gewehrt und alles ohne Gegengeschäft über uns ergehen lassen. Alle Einsprüche und Proteste der Bundesländer, die sich das nicht gefallen haben lassen waren auch umsonst. Sind wir nicht mehr eine Einheit? Zahlen wir nicht für eine geschlossen auftretende Vertretung nach Außen hin? Wir haben es uns gefallen lassen und einfach den Gürtel enger geschnallt. Unsere Privatpatienten haben wiederum alles querfinanziert!

Und nun heuer? Mancher Populist schreit schon die 32 Stundenwoche aus, weil geiz im Geben der Arbeitskraft ist wohl geil. Wo sind, wie Altminister Androsch so schön in einem Interview vor kurzem sagte: Leistung, Aufstieg, Sicherheit die Parole? Das Anpacken war die Devise seiner Partei vor 50 Jahren gewesen. Nun schreit die gleiche aus manchem neuen Sprachrohr: 32 Stunden sind genug bei vollem Lohnausgleich. Und da haben wir schon wieder die nächste Überraschung: meine fleissige und dauerübernächtigte Steuerberaterin (von wegen 32, respektive 38 Stundenwoche!) teilt mir mit, dass im KV- Verzeichnis schon wieder ein neuer KV für die Zahnärzteschaft ausverhandelt und angenommen sei! Rasch informiert man sich über den Link im Internet: Man staune erneut: lt. dem im Internet veröffentlichtem Papier gibt es eine Gewerkschaft der österreichischen Zahnärztekammer! Daher weht der Wind: wir finanzieren schon die Gegenseite der Verhandlung voll mit! Und wieder: Istlohn rauf, Einmalzahlung dazu und Gefahrenzulage rauf! Gegenfinanzierung? Fehlanzeige, aber wozu auch, ist ja schließlich wie mit dem Strom: der kommt auch aus der Steckdose! Angeblich mit 1.7.2023 angenommen und besiegelt. Quo vadis Zahnärzteschaft? Wer wird sich noch bei der schon totalen Ausdünnung der Niedergelassenen dem Risiko unterwerfen, selbständig werden zu wollen? Man kann nicht an einem System, das schon seit gefühlter Ewigkeit den KV rein zur Zierde trägt jährlich Istlohnerhöhungen durchführen! Ich hab den Gehaltszettel einer Assistentin mit einem Jahr Berufserfahrung einer Freundin in Bayern gezeigt, die an einem Gymnasium unterrichtet: Sie ist blass geworden: “Ich hab 12,5 Gehälter und hab netto weniger als Deine Assistentin mit 19 Jahren. Ich hab studiert und bin 35!”. Und wie wir wissen, ist in Deutschland auch gerade alles auf fallendem Kurs.

Ich beneide niemanden mehr um seine Selbständigkeit: Es ist lange schon nicht mehr: wer das Risiko trägt, der hat auch die Chance auf mehr, wenn er klappt. Es ist bald nur noch das Risiko geblieben. Und das ist schade, weil wir doch vom Herzen her einfach unserem Passion, dem Arzt(Zahnarzt) Sein nachgehen wollen und nicht das Gefühl haben wollen, dass das nicht mehr reicht. Lieber Herr Gesundheitsminister: überlegen Sie sich doch bitte lieber, wie wir das Schiff Kassenmedizin wieder aus dem Hafen bringen, anstatt weitere brotlose Stellen zu schaffen und das als Erfolg verkaufen zu wollen!


Leserbrief eines Mitgliedes der Landeszahnärztekammer Salzburg. Name der der Redaktion bekannt.

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